Abhören, eindringen, abgreifen, verwanzen

18. März 2015

Beni Gafner, Basler Zeitung

Der Nationalrat folgt dem Bundesrat und will dem Nachrichtendienst neue technische Hilfsmittel in die Hand geben

Die Terrorattacke von Paris, die Rückkehr der Geopolitik nach Europa, die Ahnung, das «Friedensprojekt EU» könnte alleine Vision bleiben – die äusseren Umstände machen es den Armeegegnern derzeit schwer. Dies hat sich in den vergangenen zwei Tagen auch im Nationalrat gezeigt. Leichtes Spiel hatte Verteidigungsminister Ueli Maurer (SVP) dort mit seinem neuen Nachrichtendienstgesetz zwar nicht, aber er marschierte letztlich problemlos durch, mit allen neuen Kompetenzen für den Nachrichtendienst des Bundes (NDB). Der Nationalrat hat dem Gesetz mit 119 Ja- zu 65 Nein-Stimmen zugestimmt.

Bei den relativ neuen Methoden mitmachen oder die nachrichtendienstliche Tätigkeit wie bisher auf öffentliche Strassen und Plätze beschränken und damit an der Hoteltür enden lassen? Diese Frage wurde bei der Gesetzesberatung erwartet kontrovers diskutiert. Telefongespräche abhören, Privaträume verwanzen, in Computer eindringen, diese manipulieren und Kabelverbindungen nach Daten abgreifen. All dies soll der NDB nach Mehrheitsmeinung im Nationalrat künftig bei Bedarf praktizieren.

Beamte, «auftragstreu und bieder»

Kommissionssprecher Roland Borer (SVP, SO) sprach bereits in der Eintretensdebatte vom Montag davon, dass es bei der Vorlage um eine Güterabwägung zwischen dem Schutz der Persönlichkeitsrechte und der Sicherheit gehe. Dieser Spagat sei gut gelungen. Das Verwanzen von Privaträumen oder das staatliche Hacken von Computern sind genehmigungspflichtig. Ja sagen müssen auf Antrag des NDB ein Richter des Bundesverwaltungsgerichts und der Verteidigungsminister.

Maurer zeigte sich im Rat erstaunt über die Kritik von grüner Seite und die öffentliche Berichterstattung der letzten Tage. Man versuche den Eindruck zu erwecken, dass da einige «lusche Gestalten» des Nachrichtendienstes ehrenwerte Bürgerinnen und Bürger überwachen. «So ist es definitiv nicht. Wir wollen zusätzliche Beschaffungsmassnahmen, wo es um die Sicherheit der Schweiz geht», versprach der Verteidigungsminister. Es gehe darum, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, Spionage gegen die Schweiz oder Terrorismus verfolgen zu können. Das Gesetz gebe vor, dass wesentliche Landesinteressen betroffen sein müssen, um die neuen Techniken einsetzen zu können.

Einer der Höhepunkte in der gestrigen Debatte war Maurers Imagekorrektur am NDB. «Das Bild, das man vom Nachrichtendienst oft zeichnet, das Bild von Geheimdienstlern mit Schlapphüten, muss ich in aller Deutlichkeit korrigieren. Es sind ehrenwerte, ich würde sagen biedere Bundesbeamte, die ihren Auftrag erfüllen, nichts anderes.» Ausserdem würden nicht ehrenwerte Bürger überwacht, «sondern Personen, die der Schweiz oder unserem Umfeld wirklich an die Wäsche wollen», sagte der Bundesrat. Zur ebenfalls von grüner Seite heftig bekämpften Kabelüberwachung sagte Maurer: «Es geht keinesfalls um eine Totalüberwachung, sondern um genaues Hinsehen dort, wo unsere Sicherheit gefährdet sein könnte.»

Der Nationalrat folgte Maurer in allen wichtigen Punkten. So zeigte er sich auch damit einverstanden, dass der Bundesrat den NDB in besonderen Lagen mit Missionen beauftragen darf, die über den reinen Staatsschutzauftrag hinausgehen, etwa zum Schutz des Wirtschafts- und Finanzplatzes.

Der höfliche Demagogie-Vorwurf

Gegen das Gesetz hatten sich vor allem die Grünen gestellt. Sie warnten analog zur Debatte, wie sie vor Jahren in Deutschland geführt wurde vor dem grossen «Lauschangriff». Daniel Vischer (ZH) hielt fest, die persönliche Freiheit sei das kostbarste Gut. Er befürchtete, dass der NDB präventiv Räume verwanzt, Telefone abhört und in Computersystem eindringt, und zwar bei Personen, gegen die kein Verdacht auf eine strafbare Handlung vorliege. Der Ratsmehrheit warf Vischer vor, die Grenzen der Überwachung immer weiter in den präventiven Bereich zu verschieben. «Das halten wir, mit Verlaub, für rechtsstaatlich unzulässig», so Vischer. Balthasar Glättli (ZH) warnte, dass die Internetüberwachung jede Person in der Schweiz betreffen würde. Der Nachrichtendienst werde mit den erweiterten Kompetenzen zu einer «MiniNSA» und dürfe im Internet die Daten aller überwachen und auf Schlagworte absuchen. Die Einzigen, die durch das Netz schlüpfen, seien diejenigen, die wirklich etwas vorhätten. Denn diese würden ihre Informationen verschlüsseln.

Mit seinen Voten handelte sich Vischer von Sicherheitspolitiker und Bauer Walter Müller (FDP) den Vorwurf der Demagogie ein. Der St. Galler meinte höflich: «Wenn mich jemand fragen würde, ob hier Daniel Vischer Demagogie betreibt, dann würde ich mich nicht berufen fühlen, dem zu widersprechen; das ist leider so.»

Das Geschäft geht nun in den Ständerat.

 

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