Abhören, hacken, orten - und warnen

6. November 2012

Die Kompetenzen des Nachrichtendienstes des Bundes sollen massiv ausgebaut werden

Von Beni Gafner, Bern («Basler Zeitung»)

Die Veröffentlichung eines im Detail bis soeben unbekannten Gesetzesentwurfs durch die NZZ lässt aufhorchen. Das Verteidigungsdepartement hat ein neues Nachrichtendienstgesetz ausgearbeitet und will dieses im Dezember in die Vernehmlassung schicken. Demnach soll der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) weitreichende Kompetenzen für die präventive Überwachung erhalten.

Was auf den ersten Blick etwas trocken tönt, ist in Tat und Wahrheit hoch brisant. Im Kampf gegen Terrorismus, gegen die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen und gegen fremde Spione soll der NDB die modernsten technischen Überwachungsmethoden einsetzen können. Heute sind dem Nachrichtendienst diesbezüglich die Hände gebunden. Er darf Verdächtige nur an öffentlich zugänglichen Orten überwachen. Damit sind die Schweizer Nachrichtendienstmitarbeiter gegenüber den Geheimdiensten der Nachbarländer und im Vergleich zu den grossen Nachrichtendiensten aus den USA, aus Russland und China klar im Hintertreffen.

Offensivaktionen erlaubt

Der Gesetzesentwurf, über den die NZZ am Samstag berichtet hat, datiert vom 8. Oktober 2012 und regelt den Einsatz von Wanzen, Peilsendern, das Orten und Abhören von Telefonen, das Durchsuchen von Privatcomputern mittels Trojanern und das Öffnen von Post.

Auftrag des NDB ist es, Informationen zu beschaffen und zu bearbeiten, die Bedrohungen für die Schweiz und ihre Bevölkerung frühzeitig erkennen lassen. An erster Stelle im Gesetzesentwurf steht dabei der Terrorismus, an zweiter der verbotene Nachrichtendienst. An dritter Stelle genannt wird die Weiterverbreitung von nuklearen, chemischen und biologischen Waffen sowie der illegale Handel mit radioaktiven Substanzen, Kriegsmaterial und anderen Rüstungsgütern.

Dem VBS scheint die Gratwanderung zwischen Freiheitsrechten und Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung durchaus bewusst zu sein. So ist in Artikel 18 etwa festgehalten, dass der NDB bei der Informationsbeschaffung jeweils jene Massnahme wählen muss, die für das Erreichen der Ziele «notwendig und geeignet ist», die aber «am wenigsten in die Grundrechte betroffener Personen eingreift». Ebenso klar festgehalten ist aber, dass der NDB Personendaten beschaffen darf, «ohne dass dies für die betroffenen Personen erkennbar ist». Klar ist aber auch, dass für die Polizei engere Grenzen gelten.

So arbeitet das Justizdepartement gegenwärtig an einer anderen Gesetzesvorlage, die es Strafverfolgern erlauben soll, Trojaner auf Computern zu installieren. Dadurch sollen aber «nur» E-Mails und Internettelefonie überwacht werden dürfen. Demgegenüber soll der NDB gemäss Gesetzesentwurf ganze Computer ausspionieren dürfen. Er soll auch offensive Möglichkeiten erhalten, indem ihm «das Eindringen in Computersysteme und Computernetzwerke» erlaubt wird, «um den Zugriff auf Informationen zu stören, zu verhindern oder zu verlangsamen.» Solche Offensivaktionen wären allerdings bewilligungspflichtig, gleich wie das Öffnen von Post, das Peilen und Abhören von Handys, das Überwachen von Festnetzanschlüssen sowie das Durchsuchen von Räumlichkeiten, Fahrzeugen oder «von mitgeführten Behältnissen, um dort vorhandene Informationen oder Gegenstände zu beschaffen».

Tarnung und Täuschung

Um diese Überwachungsmassnahmen einsetzen zu dürfen, braucht der NDB eine Bewilligung des Bundesverwaltungsgerichts und des VBS-Vorstehers. In dringlichen Fällen kann der NDB auch zuerst abhören, verwanzen und orten und dann - innert 24 Stunden - die entsprechende Bewilligung einholen. Bemerkenswert ist zudem der Vorschlag, dass der Nachrichtendienst «ausnahmsweise auch mit Privaten zusammenarbeiten oder diese beauftragen» kann, sofern dies aus «technischen Gründen oder wegen des Zugangs zum Beschaffungsobjekt erforderlich ist».

Das vorliegende Gesetz ist eine Folge der Zusammenlegung von Ausland- und Inlandnachrichtendienst. Die umstrittene Fusion erfolgte auf Anfang 2010. Das Problem: Während der Auslandnachrichtendienst im Rahmen seiner Beschaffungstätigkeit (im Ausland) illegal handeln konnte, musste sich der Inlandnachrichtendienst ans Gesetz halten. Mit dem vorliegenden Gesetz sollen die bestehenden Schranken für die Überwachungstätigkeiten auch im Inland fallen.

Im neuen Gesetz geregelt wird sodann der Umgang mit sogenannten «Tarnidentitäten». So darf der NDB seine Angestellten mit Unterlagen ausrüsten, die ihre Zugehörigkeit zum NDB verschleiern. Was den Schweizer Agenten bisher nur im Ausland erlaubt war, soll diesen nun auch im Inland möglich sein. Dazu gehört auch die Bewaffnung der Agenten. Für die Herstellung von Legenden und Tarnidentitäten darf der NDB auch Ausweise und Urkunden fälschen. Zudem kann er seinen Informanten steuerfreie Entschädigungen zahlen, ohne Abzug für die AHV. Schliesslich darf er «in Abweichung von den datenschutzrechtlichen Bestimmungen» Personendaten an ausländische Sicherheitsbehörden weitergeben. Inländische Behörden wie Migrationsämter, Einwohnerkontrollen, Finanzmarktaufsicht oder Steuerbehörden müssen dem NDB jederzeit Auskunft geben.

 

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